Schriftproben in der Forschung – Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft, Sammlungseinrichtungen und Design.
Stefan Soltek über das Treffen im Technik Museum Berlin am 10. und 11. Juni 2022
Das Interesse an der Erschließung historischer Schriftproduktion vertieft sich zusehends. Beteiligt sind neben den wichtigen privaten Experten und Sammlern Einrichtungen der öffentlichen Hand, Bibliotheken und Museen, und über ihre jeweils eigenen Aktivitäten hinaus, wächst das Verständnis für die Richtigkeit und die Methodik ihres Vorgehens im Verbund.
Jüngstes Zeugnis dafür gibt eine Initiative, die in Berlin die Staatsbibliothek, die Kunstbibliothek und die Stiftung des Deutschen Technikmuseums (Mitglied AEPM, IAPM) miteinander betreiben, markant gefördert durch die Universität, den Verein für Schwarze Kunst und die Erik Spiekermann Foundation GmbH. In erster Linie Verantwortliche, speziell auch für Ausrichtung und Moderation der noch zu erläuternden Tagung, sind Katharina Walter, Kerstin Wallbach und Dan Reynolds. Das Unterfangen verfolgt unter dem Titel „Die Sichtbarmachung des Sichtbaren – Berlins typografisches Kulturerbe im Open Access“ die Digitalisierung sogenannter Schriftproben. Diese Drucksachen, als Sammlung von Einzelblättern oder in Form von Heften angelegt, dienen der Darstellung jeweils einer oder mehrerer Schriften, um deren Vertrieb zu fördern. Die Unterschiede dieser Erzeugnisse sind groß, und sie beginnen schon da, wo sie entweder von Gießereien an Druckereien oder aber von Druckereien an deren Klientel gerichtet sind. Und das allein evoziert schon Unterschiede ihrer Inhaltlichkeit. Und wie wurden nun die Schriften dargestellt. Welcher Wörter, welcher Texte, welcher formalen Ausgestaltung bediente man sich, um das jeweilige Ziel zu erreichen; und: gab es möglicherweise mehrere Ziele, oder doch dem Hauptziel unterliegende zusätzliche Intentionen einer Positionierung.
An jeder Feststellung knüpfen sich Fragen und neue Bemerkungen an. Das machte jetzt ein der besagten Initiative angeschlossenes Symposium deutlich. 10 Vortragende aus den Bereichen der Forschung und Sammlung tauschten ihre schon erfolgten und NICHT erfolgten Zugänge zum Thema miteinander aus. Die Betrachtung reichte von der Sichtung der Proben zurück ins 16. Jahrhundert über die Art der Ausformung und inhaltlichen Anlage, von den Problemen des Auffindens der Proben hin zu der Möglichkeit, sie für die aktuelle Gestaltung von Schrift als anregendes und lehrreiches Material zu erfassen. Hat neben der schieren Information über das grafische Erscheinungsbild der Schrift auch die Auswahl von benutzten Wörtern, Zitaten aus Literatur, Politik, aus dem Bereich Technik, Reisen und anderes, das des Umgangs mit Schrift bedarf, das Ziel Bedeutung auf einer zweiten Ebene zu schaffen? Sprachliche Notationen, Irritationen, verfremdende gar ironische Brechungen… sind Schrift Erzeugende und Vertreibende mittels ihrer Schriftproben Botschafter eines bestimmten Bildungsverständnisses und (selbst gegebenen) Auftrags?
Das Fazit der Vorträge kann nur heißen: Es gibt vieles mehr zu erfahren als derzeit gewußt wird; Vorarbeit ist getan, die danach ruft, verbunden und orientiert zu werden, um das Vorkommen der Proben als solcher zu sichern und den Komplex ihrer Befragung zu organisieren.
Besuch der neu eingerichteten Abteilung Druck und Papier
Die Tagung endete mit einer eingehenden Führung von Kerstin Wallbach durch den Bereich Druck und Papier im Technik Museum, in dem die Tagung stattfand. Sie erläuterte die Ansätze, auf kleinem Raum in großer Vielfalt Schrift und Bild-Druck zu präsentieren, mittels eines wohl ausgesuchten Equipments an Maschinen und Instrumentarium. Vom Satz über den Guß und die Bindung von Buch, die Nutzung von Maschinen unterschiedlich nach Funktion und Alter, hinzu einer neu eingerichteten Abteilung Lithographie, verbunden mit Vitrinen zu den Grundtechniken Hoch-, Tief-, Flach- und Durchdruck. Die anstehenden Probleme kommen bekannt vor: Überreiches Material, zu wenig Platz, zu wenige aktuelle und potenzielle Fachkräfte, eine Erwartung an das Interesse speziell junger Menschen, das durch Vorführung und praktische Teilhabemöglichkeit geschürt werden sollte – wenn denn die Infrastruktur dafür gewährleistet werden könnte /kann.
So verbinden sich, an den zwei Tagen des Symposiums evident, die kühnen Ambitionen der Forschung und Archivnutzung mit der einmal mehr notwendigen, nicht sorgenfreien Gegebenheit der Vermittlung der Materie Schrift und Druck speziell durch die Museen. Indes und allerdings: wie gut, dass die Hoffnungen allseits bestehen, den kulturgeschichtlich einzigartigen Themenkomplex zukunftsorientiert anzugehen.